Erwerbslosensiedlung Goldstein

Die Goldsteinsiedlung zwischen Tannenhofweg und Autobahn in einer Luftbildaufnahme vom 15. September 1934. In der Bildmitte ist das Hofgut Goldstein und unten links die Schleusenausfahrt der Staustufe Griesheim zu erkennen.

Die Goldsteinsiedlung im Bau 1932. Ein großes Problem beim Aushub der Baugruben war das Grundwasser.

Die Goldsteinsiedlung im Bau 1932, Schüttenhelmweg, Blick nach Westen

Die Goldsteinsiedlung im Bau 1932, Schüttenhelmweg, Blick zum Goldsteinpark

Von 1931 bis 1935 entstand zwischen den Stadtteilen Niederrad und Schwanheim die Erwerbslosensiedlung Goldstein, mit dem Ziel, Erwerbslosen durch Gartenbau und Tierhaltung eine zusätzliche Existenzgrundlage zu verschaffen. Mit dem Nachlassen der Arbeitslosigkeit nach 1933 veränderte sich der Charakter der Siedlung.

 

Zwischen den Frankfurter Stadtteilen Niederrad und Schwanheim lag das Hofgut Goldstein, das 1909 von der Stadt Frankfurt gekauft wurde, die es zunächst verpachtete, aber 1926/27 mit den Überlegungen zum Bau einer Gartenstadt Schwanheim mit 6.000 bis 8.000 Mietwohnungen mit zwei- und viergeschossigen Häusern mit Flachdach ganz in der Art der bisherigen Frankfurter Stadtrandsiedlungen begann. Dieser Plan wurde 1930 aus Finanznot zurückgestellt, aber schon 1931 in veränderter Form wieder aufgenommen: Noch im selben Jahr entschloss sich die Stadt zu einem anderen und auch anderswo praktizierten Modell des Siedlungsbaus. Jetzt war eine landwirtschaftlich geprägte Siedlung für möglichst kinderreiche Erwerbslose geplant, die je Siedlerstelle mit in der Regel 750 Quadratmeter Land ausgestattet werden und Dauererwerbslosen mit Kenntnissen in Landwirtschaft und Gartenbau auch durch Tierhaltung eine zusätzliche Existenzgrundlage verschaffen sollte. Für besonders bewährte Siedler stand noch zusätzliches Pachtland zur Verfügung. Ähnliche Siedlungen entstanden an der Pfaffenwiese zwischen Höchst und Zeilsheim und in der Niddaniederung zwischen Hausen und Praunheim. Die Siedlung Goldstein war jedoch in Frankfurt die größte ihrer Art.

 

Das Projekt wurde durch das Reich finanziert, das für jede im Erbbaurecht vergebene Siedlerstelle ein Darlehen von 2.500,-- Reichsmark zur Verfügung stellte. Beim vierten Bauabschnitt waren es nur noch 2.250,-- Reichsmark. Dazu musste jeder Siedler Eigenleistungen im Wert von 500 Reichsmark aufbringen, also 2.700 Arbeitsstunden, aus denen später bis zu 4.500 Stunden wurden. Die Darlehen wurden verzinst und mussten getilgt werden, wenn die Siedler wieder Arbeit gefunden hatten – waren dabei aber öfter säumig.

 

Im Frühjahr 1932 begannen die Bauarbeiten im ersten Bauabschnitt, für den schon im Herbst desselben Jahres das Richtfest gefeiert werden konnte. 1935 war der dritte Bauabschnitt fertig gestellt und 1936 alle 320 Häuser bewohnt. Es entstanden einfache Häuser mit Sattel- oder Pultdach ohne Gas-, Wasser- und Kanalanschluss mit Brunnen mit Pumpen und eigenen Wasserenteisenungsanlagen und Torfklosetts, wohl aber Anschluss an das Stromnetz. Dauernde Probleme bereiteten die fehlerhaft arbeitenden Pumpen, die Drainage und die Sickergruben der Häuser. Daher bildete sich als Organ der Selbstverwaltung der Siedlung ein Ausschuss für die Unterhaltung der Entwässerungsanlagen. Erst 1938 schloss die Stadt die Siedlung an die städtische Wasserleitung an und zwanzig Jahre später an die städtische Kanalisation.

 

Bauträger waren die Nassauische Heimstätte, die Gemeinnützige Wohnungsbau AG und die Hellerhof AG. An den Bauarbeiten beteiligt waren u. a. „Arbeitsdienstwillige“ des „Freiwilligen Arbeitsdienstes“ (FAD), Arbeitsdienstmänner, aber auch der Arbeitsdienst der NSDAP in der Höchster Kaserne. Im Juni 1933 beschwerte sich der nationalsozialistische „Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“, dass eine beim Siedlungsbau beteiligte Baufirma Arbeitsdienstleute für Arbeiten an eigenen Gebäuden beschäftigte.

 

Die Siedler wurden zentral über das Stadtbauamt mit Obstbäumen und -sträuchern, Setzlingen für den Gemüse- und Erdbeeranbau sowie Saatkartoffeln versorgt und in das fachgerechte Beschneiden von Obstbäumen eingewiesen. Ein Siedler war als Schädlingsbekämpfungswart für je 1.000 Siedlerstellen im Einsatz. Arbeitlose, die – wie in jeder Kleingartenanlage üblich – Gemeinschaftsarbeit leisteten, erhielten eine Ernährungsbeihilfe. Die Siedler, von denen die meisten ursprünglich Industriearbeiter oder Handwerker waren, zeigten sich im Gartenbau und in der Tierhaltung recht produktiv. Im Jahr 1936 erzeugte die Siedlung Goldstein u. a. 1,5 Millionen Eier von 10.245 Hühnern, 345.000 Liter Milch, zumeist von Ziegen, 77 Tonnen Beerenobst, 14.000 Kopf Blumenkohl und 220.000 Kopf Salat.

 

Siedler, die wieder eine Arbeitsstelle fanden, mussten für ihre Deputate an Aufbauarbeit Ersatzleute stellen. Weil sie sie nicht bezahlen konnten, mussten sie ihre Arbeit nach Feierabend ableisten. Ein Siedler, der ab September 1933 wöchentlich netto 21,-- Reichsmark verdiente, hätte nach der Bezahlung des Ersatzmannes mit 10,80 Reichsmark nur noch 10,20 Reichsmark für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zur Verfügung gehabt Die nun folgenden Auseinandersetzungen endeten mit der Aufgabe der Siedlungsstelle. Verstöße gegen die Siedlerverträge konnten zur Kündigung und Zwangsräumung führen. Von 1931 bis Anfang 1933 waren alle Siedler arbeitslos, 1936 nur noch 12,6 Prozent. Die später einziehenden Neusiedler waren überwiegend im Staats- oder Kommunaldienst beschäftigt und sollten Erfahrungen im Gartenbau mitbringen. Die Auswahl unter den zahlreichen Bewerbungen wurde von der Frankfurter Geschäftsstelle des Deutschen Siedlerbundes vorgenommen. Bei der Auswahl wurde auch nach politischen Erwägungen und erbbiologischen Erwägungen entschieden. Zu Beginn des Jahres 1934 wurde beispielsweise ein Bewerber, ein Straßenhändler, abgewiesen, weil er und die Familie als „asozial“ bezeichnet wurden und er angeblich einmal KPD-Funktionär war. Ab 1933 wurden alle Bewerbungen vom Kreispersonalamt der NSDAP geprüft. 1935 schlossen sich die Siedler zum Siedlerbund Goldstein zusammen und gehörten damit automatisch dem Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands an, regional der Landesgruppe Hessen-Nassau, die in einem Schreiben vom 6. Februar 1935 an die Hellerhof AG die Idee der „Volksverbundenheit mit Blut und Boden“ propagierte.

 

Literatur und Quellen

 

ISG, Magistratsakten, T 877, 6.411-6.413

ISG, Stadtverordnetenversammlung, 445

Bauverwaltung, 205-209 (Überlieferung des Bauträgers Hellerhof AG 1932-1940

W. Avieny, Die volkswirtschaftliche Leistung einer Kleinsiedlung. Aufbau und Ertragsgestaltung der Siedlung Goldstein bei Frankfurt/M., Frankfurt 1938.

Die vorstädtische Kleinsiedlung Goldstein, Sonderdruck aus: Frankfurter Wochenschau 43, 1937.

Ernst Leißner (Red.), 50 Jahre Goldstein, Frankfurts Rose Goldstein, Frankfurt 1982.

Von 1931 bis 1935 entstand zwischen den Stadtteilen Niederrad und Schwanheim die Erwerbslosensiedlung Goldstein, mit dem Ziel, Erwerbslosen durch Gartenbau und Tierhaltung eine zusätzliche Existenzgrundlage zu verschaffen. Mit dem Nachlassen der Arbeitslosigkeit nach 1933 veränderte sich der Charakter der Siedlung.



Autor/in: Konrad Schneider
erstellt am 01.01.2005
 

Verwandte Begriffe

Freiwilliger Arbeitsdienst (FAD)

Verwandte Orte

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