Das Arbeitserziehungslager Heddernheim

Die am 16. Januar 1987 enthüllten Gedenktafeln für das AEL Heddernheim

Erlebnisbericht von Tomasz Kiryllow, ehemaliger Häftling des AEL Heddernheim, in der „Glocke vom Ettersberg“ (1976)

Kopf des Mitteilungsblattes der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora.

Die Überreste des AEL Heddernheim vor der Gestaltung als Gedenkstätte (1983).

Zur Geschichte des AEL Heddernheim.

 

 

Die Arbeitserziehungslager (AEL) waren Sonderlager der Gestapo bzw. des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Die AEL dienten der Disziplinierung von „Arbeitsverweigerern“, „arbeitsvertragsbrüchigen und arbeitsunlustigen Elementen“ – wie es in der Lagerordnung des AEL Heddernheim vom 16. April 1942 heißt. Grundlage für eine Einweisung in ein AEL war die Festnahme oder „Schutzhaft“ durch die Gestapo. Eingewiesen werden konnten – nach einem Hinweis durch den Arbeitgeber – Ausländer wie Deutsche, die in erwähnter Weise die „Arbeitsmoral gefährden und zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in polizeilichen Gewahrsam genommen werden müssen.“

 

In den fortgeschrittenen Kriegsjahren dienten die AEL vor allem der Einschüchterung von Zwangs- und Fremdarbeitern: „Die Behandlung muss deshalb so gestaltet werden, dass die Eingewiesenen zu geregelter Arbeit im nationalsozialistischen Sinne erzogen werden.“ Die Haftdauer betrug in der Regel 6 bis 8 Wochen. Während dieser Zeit mussten die Inhaftierten 10 bis 12 Stunden täglich besonders schwere Arbeiten verrichten, die Haftbedingungen waren KZ-ähnlich („KZ der Gestapo“). Der Übergang von einer AEL-Haft zu einer Internierung in einem KZ war fließend, auch wenn die Lagerordnung betonte, dass eine Einweisung in ein AEL als „eine vorläufige polizeiliche Vorbeugungs- und Erziehungsmassnahme“ galt und nicht als Strafmaßnahme zum Nachteil des Häftlings „amtlich vermerkt“ werden durfte.

 

Wie viele der im ganzen Reich verteilten Arbeitserziehungslager lag auch das AEL Heddernheim in der Nähe eines Industriebetriebs. Das „Vorläufige Verzeichnis der Konzentrationslager und deren Außenkommandos …“ des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes vom Februar 1969 nennt als „Arbeitgeber“ des AEL Heddernheim die seinerzeit nahe gelegenen Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM). In welchem Umfang die VDM tatsächlich Arbeiten durch die Häftlinge hat ausführen lassen, ist offen. Die wenigen Dokumente und auch die Zeitzeugenberichte erwähnen die VDM zwar eher am Rande, aber unwahrscheinlich ist ein Arbeitseinsatz für den kriegswichtigen Betrieb nicht. Nach Zeitzeugenberichten waren die Häftlinge unter anderem mit Erdarbeiten beschäftigt, die geplante Baumaßnahmen des benachbarten Werkes durchaus erleichtern konnten. Andere Quellen berichten vom Entladen von Waggons; aber auch von Arbeiten im Palmengarten und in Köppern, wo sich die „Frankfurter Pflegeanstalten“ für geistig Behinderte befanden.

 

Das Lager wurde im April 1942 in einer ausgehobenen Lehmkuhle einer Ziegelei für 200 Häftlinge eingerichtet. Belegt war das Lager zeitweise jedoch mit mehr als 400 Gefangenen. Es war etwa 1.250 Quadratmeter groß und bestand aus Baracken für die Gefangenen, einem Wachturm, dem „Bunker“, einem Entlausungsbad und einem Hundezwinger. Die Haftbedingungen waren brutal. Im Volksmund hieß das Lager „Kajenn“ (Cayenne), eine Anspielung auf eine der Hauptstadt Französisch Guayana vorgelagerte berüchtigte Häftlingsinsel. Was unter „straffer Zucht und Ordnung“ zu verstehen war, regelte die Lagerordnung: „Die Häftlinge sind zu strenger Arbeit anzuhalten, um ihnen ihr volksschädigendes Verhalten eindringlich vor Augen zu führen, um sie zu geregelter Arbeit zu erziehen und um anderen durch sie ein abschreckendes und warnendes Beispiel zu geben.“ Nach Aussage ehemaliger Wachleute waren Fesselungen und Prügelstrafen für „Ostarbeitskräfte“ an der Tagesordnung. Dokumentiert sind mehrere Erschießungen wegen „Plünderungen“ und „Arbeitsverweigerung“.

 

Die Häftlinge des Lagers wurden im März 1945 zu einem „Evakuierungsmarsch“ in den Vogelsberg gezwungen. Nach der Flucht der Wachmannschaften löste sich der Marsch bei Lindheim auf. Der Leiter des AEL Hedderheim Hans Tauber wurde 1946 zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Reinhard Breder, Leiter der Frankfurter Gestapo und für die Inhaftierungen in das AEL Heddernheim verantwortlich, wurde freigesprochen.

 

 

Literatur::

Gabriele Lotfi, KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart/München 2000

Tomasz Kiryllow, „Und ihr werdet doch verlieren“. Erinnerungen eines polnischen Antifaschisten, Berlin (Ost) 1985

Die Grünen (Hg.), Hessen hinter Stacheldraht. Verdrängt und vergessen. KZs, Lager, Außenkommandos, Frankfurt am Main 1984

Petra Meyer, Das Arbeitserziehungslager Heddernheim unter Berücksichtigung anderer Arbeitslager, ausgehend von den archivalischen Unterlagen und Zeitzeugen, Frankfurt am Main 1984 (unveröffentlichtes Manuskript)

Zur Geschichte des AEL Heddernheim.



Autor/in: Lutz Becht
erstellt am 28.06.2003
 

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