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Georg Hartmann

Georg Hartmann

Aufgrund seiner Stellung in der Frankfurter Wirtschaft und Gesellschaft fand der Unternehmer Johann Georg Hartmann Mittel und Wege, seine persönliche Distanz und Nonkonformität gegenüber dem Nationalsozialismus unbehelligt auszudrücken und Bedrängten zu helfen.

 

Der Frankfurter Unternehmer Georg Hartmann (1870-1954) ist ein Beispiel der bürgerlichen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Er war Besitzer der Bauerschen Gießerei, für die er in der Moltkestraße (heute Hamburger Allee) ein noch heute erhaltenes Fabrikgebäude errichten ließ, und der Emda (Elektro-medizinische Dental-Anstalt) in der Hanauer Landstraße. 1898 war er ins Schriftgießereigewerbe eingestiegen, wo er – parallel zu Klingspor in Offenbach – gegen den allseits herrschenden Trend zur industriellen Standardisierung die Schriftgestaltung wieder auf ein hohes künstlerisches Niveau zu führen vermochte. Die in seinem Betrieb entwickelten Schrifttypen waren beispielgebend und wurden in ganz Deutschland sowie weit im Ausland vertrieben; in Barcelona und New York unterhielt die Bauersche Gießerei Zweigbetriebe. Diese unternehmerischen Aktivitäten waren aus einer großen Affinität zur Kunst geboren. Hartmann hatte daher auch als Kunstsammler, als Kunstmäzen und als Mitglied der Verwaltungsgremien mehrerer Kulturinstitute Bedeutung und knüpfte schon früh Beziehungen zu Max Beckmann.

 

Hartmanns Persönlichkeit und seine wirtschaftliche Position versetzten ihn nach 1933 in die Lage, Personen, die vom Regime bedrängt wurden, zu helfen. In seinen Betrieben bestand er darauf, den Hitlergruß oder das Aufhängen von Führerbildnissen zu unterlassen. Mitarbeiter wurden so weit als möglich so rekrutiert, dass Distanz zum Nationalsozialismus gewahrt blieb. So war es möglich, auch sogenannten „Halbjuden“ eine schützende Anstellung zu bieten und sie unter würdigen Umständen entweder durch die NS-Zeit zu bringen oder Ihnen zur Ausreise zu verhelfen. Im Einzelfall vermochte Hartmann allerdings nicht, Deportationen aus seinem engsten Umfeld zu verhindern oder gefährdete Betriebsangehörige vor Denunziation und Verhaftung durch die Gestapo zu schützen; drei Mitarbeiter wurden so später hingerichtet; über die Umstände ist bislang nichts näheres bekannt.

 

Hartmann unterstützte auch Max Beckmann, der seit 1937 im Amsterdamer Exil weilte, indem er ihm 1941 den Auftrag erteilte, zunächst die Apokalypse und später Faust II künstlerisch zu illustrieren. Insbesondere die Apokalypse, eine Folge von 27 handkolorierten Lithographien, die Hartmann nach des Künstlers Vorarbeit und Vorlage in der Bauerschen Gießerei herstellen ließ, war unter den Bedingungen des Regimes ein schwieriges Unterfangen. Noch während des Krieges verteilte Hartmann die gedruckten Exemplare an einen ausgewählten Kreis von Freunden und Verwandten, darunter die Beckmann-Sammlerin Lilly von Schnitzler, Städeldirektor Ernst Holzinger, den Direktor des Goethehauses Ernst Beutler, Altstadtvater Fried Lübbecke, Theaterintendant Hans Meissner, den Beckmann-Forscher Erhard Göpel, den Münchener Kunsthändler Günther Franke und andere. Gemeinsam mit einem Teil dieser Personen verkehrte Hartmann auch mit Oberbürgermeister Krebs, der die regimeferne Stellung dieses Kreises offenbar dezent übergangen hat. Darüber hinaus unterhielt Hartmann Kontakte zu Mitgliedern der Bekennenden Kirche und leistete dort durch beträchtliche Geldmittel Hilfe für Verfolgte. Aktiven Widerstand leistete er jedoch nicht.

 

Während der NS-Zeit waren Hartmann als Vertrauensperson im Stiftungssektor auch eine Reihe von öffentlichen Ämtern anvertraut worden. So wurde er 1934 Mitglied in der Administration des Städelschen Kunstinstituts und 1933 Vorsitzender des Städelschen Museums-Vereins. Noch 1944 übernahm er auf Bitten Ernst Beutlers den Vorsitz im Verwaltungsrat des Freien Deutschen Hochstifts.

 

Als sich im Bombenkrieg die Zerstörung der Frankfurter Altstadt abzeichnete, ließ Hartmann sie fotografisch dokumentieren und gab Fried Lübbecke den Auftrag, darüber das Buch „Alt-Frankfurt. Ein Vermächtnis“ zu verfassen. Als stellvertretender Vorsitzender des Bundes tätiger Altstadtfreunde engagierte er sich später, wenn auch eher im Hintergrund, ebenso in den Kontroversen um den Wiederaufbau der Altstadt wie um die Rekonstruktion des Goethehauses.

 

Um nach dem Krieg erfolgreich neu anfangen zu können, glaubte Hartmann, man solle auf eine Bestrafung ehemaliger Parteimitglieder, sofern sie nicht allzu eindeutig schuldig waren, besser verzichten. So liegen von den Betriebsräten seiner Unternehmen in einzelnen Spruchkammerverfahren zum Teil günstige Beurteilungen von Parteimitgliedern vor, die bei ihm beschäftigt waren, im Falle schwerer Verfehlungen aber auch klare Distanzierungen. Aus eigenem Erlebnis heraus, begrüßte Hartmann daher auch eine Initiative Frankfurter Bürger, die sich um eine Entlastung von Oberbürgermeister Krebs bemühte – die Zeitgeschichtsforschung zeichnete später freilich ein komplexeres Bild von der Stellung Friedrich Krebs’.

 

Hartmanns vielfältiges Engagement für das Gemeinwesen der Stadt wurde nach dem Krieg mit vielen Ehrungen bedacht, so vor allem 1950 anlässlich seines 80. Geburtstags als die Stadt Frankfurt ihm die Ehrenbürgerschaft verlieh.

 

 

 

Literatur::

Alte Kunst, lebendig. Bildwerke einer Privatsammlung [Sammlung Georg Hartmanns]. Beschrieben von Hubert Wilm. Aufgenommen von Alfred Erhardt. Geleitwort von Ernst Benkard, Frankfurt 1942, Privatdruck der Bauerschen Gießerei

Konrad F. Bauer, Werden und Wachsen einer deutschen Schriftgießerei. Zum hundertjährigen Bestehen der Bauerschen Gießerei Frankfurt a. M. 1837-1937. Hg. im Jubiläumsjahr 1937

Willi Emrich, Bildnisse Frankfurter Demokraten, Frankfurt 1956, S. 51ff.

Georg Hartmann. Zur Vollendung seines fünfundsiebzigsten Lebensjahres am 13. Juli 1945, Privatdruck Frankfurt 1945/46

Georg Hartmann, in: Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon. Im Auftrag der Historischen Kommission hg. v. Wolfgang Klötzer. Bearbeitet von Sabine Hock und Reinhard Frost, erster Band, Frankfurt 1994, S. 303f.

Andreas Hansert, Der Auftrag zur Apokalypse. Max Beckmann im Amsterdamer Exil und sein Frankfurter Mäzen Georg Hartmann, in: Max Beckmann. Apokalypse. Der wiederaufgefundene handkolorierte Zyklus, Museum Wiesbaden 2004, S. 13-20 (englische Fassung ebd. S. 113-120)

Andreas Hansert, Georg Hartmann (1870-1954). Biografie eines Frankfurter Schriftgießers, Bibliophilen und Kunstmäzens, Wien 2009

Aufgrund seiner Stellung in der Frankfurter Wirtschaft und Gesellschaft fand der Unternehmer Johann Georg Hartmann Mittel und Wege, seine persönliche Distanz und Nonkonformität gegenüber dem Nationalsozialismus unbehelligt auszudrücken und Bedrängten zu helfen.



Autor/in: Andreas Hansert
erstellt am 01.01.2005
 

Verwandte Personen

Hartmann, Georg

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