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Friedrich Krebs (1894-1961): NS-Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main

Krebs nimmt die Glückwünsche anlässlich seines 50. Geburtstages am 9. Mai 1934 entgegen

Friedrich Krebs um 1935

Hoher Besuch anlässlich des Reichshandwerkertages 1939: Der Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Robert Ley trägt sich in des Goldene Buch ein.

Oberbürgermeister Krebs beim Empfang von Reichserziehungsminister Bernhard Rust anlässlich der Eröffnung des 1. Musischen Gymnasiums am 12. Juli 1939

Oberbürgermeister Krebs mit Amtskette während der Verleihung des Goethepreises an den Chemiker Richard Kuhn am 28. August 1942

Wachwechsel. Die Aufnahme, die im Februar 1943 anlässlich des Wechsels in der Standortkommandantur entstanden ist, zeigt v.l.n.r den neuen Stadtkommandanten Generalmajor Leopold Rieger, Gauleiter Jakob Sprenger, den scheidenden Stadtkommandanten Generalmajor Theobald Lieb, Oberbürgermeister Krebs und den nicht näher bekannten Obersleutnant Riese

Von 1933 bis 1945 amtiert Friedrich Krebs als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main. Die Rekonstruktion seiner Biografie über die NS-Zeit hinaus zeigt eine Kontinuität in dessen politischem Denken, das durch eine völkische, antisemitische und antidemokratische Haltung gekennzeichnet ist. 

 

Sozialer Aufstieg

 

Friedrich Karl Krebs wird 1894 im pfälzischen Germersheim geboren. Er wächst in bescheidenen Familienverhältnissen auf. Durch ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften gelingt ihm der soziale Aufstieg. Für den politisch national-konservativ eingestellten Studenten und Burschenschafter wird der Erste Weltkrieg zum prägenden Ereignis. Trotz seiner Vertreibung aus Straßburg und der Flucht nach Frankfurt vollendet Krebs 1919 zielstrebig sein Studium. Die „Schmach von Versailles“ verarbeitet er in einer Dissertation zum Thema „Friedensvertrag und Reichsverfassung“. Krebs besteht 1923 das Assessor-Examen und übt bis 1925 eine richterliche Tätigkeit am Land- und Amtsgericht Frankfurt aus. Ab 1926 wirkt er in der Deutschen Staatsvertretung beim gemischten deutsch-englischen Schiedsgerichtshof in Berlin. Zwei Jahre später kehrt er an den Main zurück, wo er bis 1933 an der 4. Zivilkammer am Oberlandesgericht als Landgerichtsrat tätig ist.

 

Im völkischen Lager

 

Spätestens seit dem 18. Lebensjahr bewegt sich Friedrich Krebs in einem nationalistisch-völkisch und antisemitisch geprägten Milieu. So wird er zwischen 1922 und 1925 unter anderem Mitglied im „Deutschbund“, im „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“, im „Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft“, in der „Deutschen Partei“ und in dem „Völkisch-Sozialen Block“. Die Entwicklung dieser Gruppierungen läuft auf eine Neugründung der 1923 verbotenen NSDAP hinaus, die sich nach 1925 konkurrenzlos zur Alleinerbin der „Völkischen“ formiert. Dort findet Krebs schließlich auch seine politische Heimat. Bereits 1924 fungiert er als Ortsgruppen- und Wahlleiter der NSDAP beziehungsweise einer ihrer Ersatzorganisationen in Frankfurt. Ab 1928 engagiert sich Krebs als Gaurechtsstellenleiter und pflegt als Gauobmann des Bundes Nationalsozialistischer Juristen, später NS-Rechtswahrerbund, Kontakte zu Berufskollegen. Auch als „Nazi-Verteidiger“ in politischen Prozessen hat er bald einen Namen. Der offizielle Partei-Eintritt datiert vom 1. Dezember 1929. Besonderes Augenmerk richtet er auf die Mitarbeit im „Kampfbund für deutsche Kultur“, die Krebs’ persönliche Verbindungen zum Frankfurter Bildungsbürgertum festigt. 1932 wird er als einer von 107 Abgeordneten der NSDAP in den Preußischen Landtag berufen, wo er im Rechtsausschuss tätig ist. Ab Mai 1933 vertritt Krebs die Provinz Hessen-Nassau im Reichsrat. Bis zu dessen Auflösung 1934 unterhält er in den Räumen seines von den Nationalsozialisten verdrängten Vorgängers in Berlin ein Büro.

 

NS-Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main

 

Während seiner Sitzung am 13. März 1933 nimmt der Frankfurter Magistrat den erzwungenen Rücktritt von Oberbürgermeister Ludwig Landmann (DDP) zur Kenntnis. Einige Stunden später informiert Gauleiter Jakob Sprenger das Gremium darüber, dass der Regierungspräsident in Wiesbaden, Werner Zschintsch, auf seinen Vorschlag hin Friedrich Krebs zum kommissarischen Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main bestellt habe. Mit Krebs ist ein Kandidat gefunden, den eine fundierte Ausbildung und langjährige Berufserfahrung sowie der Status als „alter Kämpfer“ gleichsam doppelt für das Amt des Oberbürgermeisters „qualifizieren“. Die mangelnde Verwaltungserfahrung fällt dabei nicht ins Gewicht. Drei Monate später ist der Ernennungsprozess unter Anschein eines legalen Verfahrens und Absage an demokratische Traditionen beendet: Krebs wird mit Wirkung vom 26. Juni 1933 in seiner Funktion bestätigt.

 

Ein ehrgeiziges Anliegen des Oberbürgermeisters ist die Transformation Frankfurts von einem „Vorposten der Demokratie“ zu einer „deutschen“ Stadt. Gerade viele seiner antisemitisch motivierten Entscheidungen lassen sich unter diesem Postulat subsumieren. Denn im Vergleich zu München als „Hauptstadt der Bewegung“ oder Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ sind in der Mainmetropole kaum NS-Traditionen nachzuweisen. Vielmehr ist Frankfurt bei den neuen Machthabern schon lange als Verlagsort der bürgerlich-liberalen "Frankfurter Zeitung" und als „Stadt der Juden und Demokraten“ verpönt. Lagen in der Weimarer Zeit die politischen Akzente auf Weltoffenheit, Moderne und Pluralität, so führen unter Krebs Reglementierung und völkisch-rassistische Ideologie zum Verlust dieser gewachsenen Identität. Diese Umdeutung und die daraus resultierende Ausgrenzung und Vernichtung eines ganzen Teils der Stadtbevölkerung stehen in engem Zusammenhang und kennzeichnen die gesamte Amtszeit.

 

Unmittelbar nach den März-Wahlen 1933 beginnt zum Beispiel die Diskussion um einen geeigneten Beinamen für Frankfurt. Krebs und seine Berater suchen nach einem Etikett, das vor allem einen Zweck erfüllen soll: die jüdische, demokratische und liberale Tradition der Groß- und Handelsstadt seit dem 19. Jahrhundert zu leugnen, welche zur Aufhebung des Ghettos, zur Emanzipation der Juden und deren Integration in die städtische Gesellschaft führte. Nach diversen Vorschlägen bietet schließlich der 1935 hier anberaumte Reichshandwerkertag Anlass, Frankfurt den Titel „Stadt des deutschen Handwerks“ zu geben. Zwar spielt das Handwerk zu keiner Zeit eine herausragende Rolle; die willkürlich entstandene Zuschreibung indes darf sich einer Wertschätzung der Nationalsozialisten sicher sein. In der Folge bemüht sich Krebs um die Gründung von Handwerkerinstituten und Veranstaltungen, die sämtlich den Geist eines mittelalterlich-germanischen Gemeinwesens mit der Altstadt als mythisch-ideologischem Zentrum beschwören sollen. Als einen „an hervorragender Stelle der Stadt zu errichtenden Bau“ preist der Oberbürgermeister das „Haus des deutschen Handwerks“ nach – später nicht realisierten – Entwürfen des Kölner Architekten Clemens Klotz. Zu dessen Standort wird symbolträchtig das Areal bestimmt, auf dem das Rothschild-Palais sowie das inzwischen von der Deutschen Arbeitsfront besetzte Gewerkschaftshaus stehen.

 

Auf diese Weise programmatisch fundiert praktiziert Krebs mit Beginn seiner Amtszeit konsequent eine rigide antijüdische Politik in Frankfurt. Am Endpunkt stehen bis zum Frühjahr 1945 die völlige Vernichtung der Jüdischen Gemeinde und die Deportation von mehr als 10.000 Menschen aus Frankfurt, von denen nur wenige den Holocaust überleben. Dieser Verlust ist bis heute deutlich im städtischen Leben spürbar. In vorauseilendem Gehorsam verfügt der Oberbürgermeister (bis Ende 1936 auch Kreisleiter) bereits zehn Tage vor Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 die Beurlaubung oder Entlassung städtischer Beamter oder Angestellter. Dessen Paragraphen drei und vier sehen für „Nichtarier“ und „national Unzuverlässige“ die Versetzung in den Ruhestand vor. Der Kulturbetrieb ist von dieser Maßnahme im Besonderen betroffen. So werden zum Beispiel zahlreiche Künstler der Sparten Oper und Schauspiel wegen angeblich „undeutscher Spielgestaltung“ oder „jüdischer Abstammung“ aus oft jahrzehntelangen Dienstverhältnissen gejagt und die nunmehr freien Posten mit „Linientreuen“ oder Parteifunktionären besetzt. Ab 1935 folgen Straßenumbenennungen und die „Arisierung“ von Stiftungen, die jüdische Namen aus dem Frankfurter Stadtleben tilgen und das nicht unbeträchtliche Vermögen in „arische“ Hände bringen sollen. Auf maßgebliche Initiative von Krebs wird 1941 in Frankfurt das „Institut zur Erforschung der Judenfrage“ und damit die erste Außenstelle einer Hohen Schule der NSDAP in Frankfurt eingerichtet. Knapp sechs Monate vor Beginn der Deportationen aus Frankfurt bezeichnet Krebs die Einrichtung als „geistige Waffenschmiede für den Endkampf gegen das Weltjudentum“. Über diese von der Geheimen Staatspolizei organisierten „Evakuierungen“ oder „Wohnsitzverlegungen“ antisemitisch verfolgter Menschen aus Frankfurt lässt sich der Oberbürgermeister regelmäßig Bericht erstatten. Häufig schreiben ihn Parteigenossen an; sie erbitten Hilfe bei der Vermittlung von nunmehr leerstehenden „Juden-Wohnungen“.

 

Internierungslager und Entnazifizierung

 

Nach dem Einmarsch US-amerikanischer Truppen wird Krebs festgenommen und bis 1948 im Darmstädter „CI Camp 91“ interniert. Zahlreiche Entlastungszeugen – meist Nazis und/oder städtische Repräsentanten verwenden sich für ihren früheren Chef und Kollegen. Die Bemühungen haben Erfolg: Mit der Begründung, der Frankfurter Oberbürgermeister habe „sein Amt durchaus gerecht, korrekt, sauber und unbeeinflusst durch nationalsozialistische Tendenzen“ ausgeübt, reiht die Spruchkammer ihn 1947 in die Gruppe der „Minderbelasteten“, 1949 sogar bei den „Mitläufern“ ein.

 

Versuch eines politischen Comebacks

 

Nicht zuletzt bestärkt durch dieses milde Urteil prozessiert Krebs von 1950 bis 1953 um seine Zulassung als Rechtsanwalt in Frankfurt. Diese versagt der Hessische Justizminister persönlich, da Krebs zwischenzeitlich als Landesvorsitzender und Stadtverordneter der nationalkonservativen „Deutschen Partei“ (DP) öffentlich antidemokratisches Gedankengut und NS-Parolen verbreitet. Erst nachdem er das Mandat niederlegt und die Mitgliedschaft in der DP kündigt wird er zur Anwaltschaft zugelassen. Nach weiteren langjährigen Prozessen bewilligt ihm die Stadt Frankfurt schließlich Versorgungsbezüge auf der Stufe eines Amts- und Landgerichtsrates. Friedrich Krebs stirbt am 6. Mai 1961 in Bad Homburg.

 

 

Literatur::

Heike Drummer, Friedrich Krebs – Nationalsozialistischer Oberbürgermeister in Frankfurt am Main. Rekonstruktion eines politischen Lebens, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 42, Marburg 1992, S. 219-253

dies.: Der „Brunnen des deutschen Handwerks“ – Ein Beitrag zum Selbstverständnis der Stadt Frankfurt am Main im Nationalsozialismus, in: kritische berichte 2 (1995), S. 58-65

dies./Jutta Zwilling, „Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt ...“ Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945 (Katalogteil), Frankfurt am Main 2005

Monica Kingreen, Raubzüge einer Stadtverwaltung. Frankfurt am Main und die Aneignung „jüdischen Besitzes“, in: „Bürokratien“. Initiative und Effizienz. Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 17, Berlin 2001, S. 17-50

Konrad Schneider, Neue Quellen zur Tätigkeit des Frankfurter Oberbürgermeisters Friedrich Krebs 1933-1945, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 65, Frankfurt am Main 1999, S. 350-362

Bettina Schültke, Theater oder Propaganda? Die Städtischen Bühnen Frankfurt am Main 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 40), Frankfurt am Main 1997

Bettina Tüffers, Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 54), Frankfurt am Main 2004

Von 1933 bis 1945 amtiert Friedrich Krebs als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main. Die Rekonstruktion seiner Biografie über die NS-Zeit hinaus zeigt eine Kontinuität in dessen politischem Denken, das durch eine völkische, antisemitische und antidemokratische Haltung gekennzeichnet ist.



Autor/in: Heike Drummer
erstellt am 01.01.2005
 

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