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Rudersport im Nationalsozialismus

Anrudern mit Hitlergruß im Frühjahr 1939

29. Juni 1940: Die Reihen lichten sich: Beim Empfang der Teilnehmer der 49. (noch) Internationalen Ruder-Regatta im Römer blieben die Kriegsverbündeten Deutschland und Italien unter sich. Viele Plätze, selbst in der ersten Reihe, blieben leer.

Im Juni 1940 beteiligten sich an der „internationalen“ 49. Ruder-Regatta immerhin noch drei Vereine aus Italien

Im Juni 1942 war die „Große Frankfurter Ruder-Wettfahrt“ nur noch ein nationales Ereignis

Siegerurkunde für die im Juni 1942 ausgetragene „Kriegsregatta“

Sportvereine waren keine unpolitischen Nischen. Schon bald nach dem Machtantritt versuchten die Nationalsozialisten Einfluss auf die Vereine zu gewinnen. Besonders deutlich wird das am Beispiel des seinerzeit äußerst populären Rudersport.

Nach dem Aufstieg der NSDAP zur zweitstärksten Partei in Frankfurt nahmen 1930 Aggressivität und Demagogie im politischen Leben weiter zu. Um den Rudersport vor der Radikalisierung des politischen Tagesgeschehens möglichst abzuschotten, fasste die Jahreshauptversammlung der Frankfurter Rudergesellschaft Germania e.V. am 11. Oktober 1932 einen Beschluss, „wonach das Tragen politischer Abzeichen und Uniformen im Klubhaus verboten ist. Ebenso ist das Führen der Vereinsflagge neben politischen Flaggen und das Tragen der Vereinsnadel neben politischen Abzeichen nicht gestattet.“ Oberbürgermeister Krebs pflegte sein Image als Förderer des Rudersports beim Aufmarsch der Frankfurter Rudervereine auf dem Römerberg am 15. April 1934, dem „Tag des deutschen Rudersports“. Über 800 Ruderer hatten sich vor dem Boots- und Gesellschaftshaus der Germania am Schaumainkai versammelt, um von dort, angeführt von einem SA-Musikzug, zum Römerberg zu ziehen. Auf dem Römerberg meldete der zum „Führer“ des Frankfurter Regatta-Vereins ernannte Hermann Wilhelm Lumme dem Oberbürgermeister, „daß die Frankfurter Rudererschaft einmütig bereit ist, für das sportliche Ansehen unserer Stadt einzutreten.“

Die engen rudersportlichen Beziehungen zwischen Frankfurt und England waren ein Verdienst Lummes, der seine Ruderausbildung zwischen 1906 und 1910 in England absolviert hatte. Ruderer aus Cambridge, Oxford und London starteten zwischen 1933 und 1937 bei der Internationalen Frankfurter Ruderregatta. Später spiegelten die rückläufigen Meldungen zur Internationalen Frankfurter Regatta die zunehmende Isolation Deutschlands. Gingen 1938 noch fünf Nationen an den Start, so besuchten allein Vertreter der Schweiz die 48. Internationale Regatta am 24. und 25. Juni 1939. Teilnehmer aus dem im Zweiten Weltkrieg mit Deutschland verbündeten Italien sicherten 1940 den internationalen Flair der Frankfurter „Kriegsregatta“. Bei einem Empfang der Rudersportler am 29. Juni 1940 im Römer, redete Bürgermeister Kremmer nachdrücklich dem Vereinssport das Wort: „Wenn das Schlachtgetöse einmal verstummt sein wird und unsere Kameraden heimkehren, um das Gewehr mit dem Ruderlöffel zu vertauschen, dann dürfen sie unter keinen Umständen ihre vorher geleistete Arbeit zerschlagen vorfinden.“

Natürlich bildete auch die Frankfurter Rudergesellschaft Germania keine Insel im NS-Staat, dennoch erschrecken in Anbetracht der langjährigen rudersportlichen Beziehungen zu England die in den Clubnachrichten im Jahr 1940 gegen den Inselstaat verbreiteten Feindseligkeiten. Die Mai-Ausgabe der Clubnachrichten erschien unter dem Titel: „Denn wir fahren gegen Engeland!“ Nachdem Hitler am 13. August 1940 die „Luftschlacht“ um England eröffnet hatte, bezeichnete die September-Ausgabe der Clubnachrichten die Bombardements sarkastisch als Abwürfe von „Liebesgaben“ und drohte: „Der Hauptfeind und Urheber des Krieges, der Engländer, hat zur Zeit Gelegenheit, sich bei den vielen, erfolgreichen deutschen Fliegerangriffen auf London, ein Bild über das kommende Ende zu machen.“

Eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Germania bestätigte am 9. Mai 1940 die Übernahme der vom Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen verfügten Einheitssatzung. Der Verein bezweckte nicht mehr ausschließlich die Förderung des Rudersports, sondern auch „die leibliche und charakterliche Erziehung der Mitglieder im Geiste des Nationalsozialismus durch die planmäßige Pflege der Leibesübungen.“ Die Mitglieder jüdischen Glaubens hatte die Germania schon Jahre zuvor ausgeschlossen. Die enge Verzahnung von Ruder- und Wehrsport war bereits im Mai 1933 erfolgt. „Ausmärsche“ und Lehrgänge im Kleinkaliberschießen wurden von der Germania angeboten. Oberbürgermeister Krebs verkürzte die Grundidee des Wehrsports auf die Formel: „Wer seinen Leib stählt, stärkt Deutschlands Wehrkraft.“

Bei Kriegsbeginn wurde in der Schifferstube und im Ankleideraum des Boots- und Gesellschaftshauses der Germania bis zum Frühjahr 1940 ein Luftschutz-Spreng-Instandsetzungstrupp von dreißig Mann einquartiert. Um den Kontakt zu den eingezogenen Mitgliedern zu halten, berichteten die Clubnachrichten unter der Rubrik „Von unseren Soldaten“ fortan über das Schicksal der eingezogenen Mitglieder und vermittelten Feldpostadressen. Bei einem der schweren Luftangriffe auf Frankfurt im Jahr 1944 wurden der Dachstock und das Obergeschoss des Boots- und Gesellschaftshauses der Germania zerstört. Im Dezember 1944 hatte die Wehrmacht von 450 Germania-Mitgliedern 320 eingezogen, 123 kehrten nicht mehr zurück.

 

 

Literatur::

Thomas Bauer: 125 Jahre Frankfurter Rudergesellschaft Germania 1869 e. V., Frankfurt a. M. 1994

Clubnachrichten der Frankfurter Rudergesellschaft Germania 1933-1941, im Archiv der Rudergesellschaft Germania

 

Sportvereine waren keine unpolitischen Nischen. Schon bald nach dem Machtantritt versuchten die Nationalsozialisten Einfluss auf die Vereine zu gewinnen. Besonders deutlich wird das am Beispiel des seinerzeit äußerst populären Rudersport.



Autor/in: Thomas Bauer
erstellt am 01.01.2005
 

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