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Das Kunstauktionshaus Heinrich Hahn

Das Kunstauktionshaus Heinrich Hahn war in bester Lage auf der Kaiserstraße 6 zu finden. Inhaber war in der Zeit des Nationalsozialismus Theodor Julius Hahn (1877-1948), einer der vier Söhne des Namensgebers Heinrich Hahn, und Bruder des späteren Nobelpreisträgers Otto Hahn. Während des Ersten Weltkriegs, im Februar 1917, heiratete Theodor Julius Hahn in Berlin die gebürtige Nordhausenerin Johanna Luise Margarete Sonnenfeld (1891-wohl 1958). Im Dezember desselben Jahres wurde der gemeinsame Sohn Helmut Hahn in Berlin geboren.

 

Theodor Julius Hahn fiel bereits im Jahr 1933 mit antisemitischen Äußerungen auf, als er sich an den Oberbürgermeister Friedrich Krebs (1894-1961)wandte, um dagegen zu protestieren, dass die sog. Sigmaringer Sammlung 1933 im Frankfurter Auktionshaus Hugo Helbing zur Versteigerung kommen sollte statt in seinem. Dessen Münchener Inhaber und Namensgeber Hugo Helbing (1863-1938) war Jude, ebenso wie der langjährige Leiter der Frankfurter Filiale, Dr. Arthur Kauffmann (1887-1983). Hahn schrieb an Krebs: „Ich kann mir nicht denken, dass gerade diese Firma bei Vergabe des Auktionsauftrags von städt. Besitz den Vorzug bekommen soll, da sowohl die beiden Leiter der hiesigen Niederlassung als auch der Besitzer des Hauptgeschäftes Juden sind. Auch bin ich davon überzeugt, dass der Erfolg der Auktion dadurch beeinträchtigt wird, dass heute viele Deutsch denkende Sammler den von Nichtariern veranstalteten Versteigerungen fernbleiben. Meine Firma, die aus der seit 1830 bestehenden Kunst- und Bauglaserei Heinrich Hahn hervorgegangen ist, veranstaltet seit 1911 regelmäßig Kunstversteigerungen. Ich selbst, der alleinige Inhaber der Firma, bin rein arischer Abstammung, nachweisbar bis zum Jahre 1680, wurde im Krieg als Hauptmann der Ldw. und Bataillonsführer viermal verwundet und durch Oberschenkel-Amputation schwer kriegsgeschädigt. Ich glaube daher, die Bitte aussprechen zu dürfen, bei Vergebung des Versteigerungsauftrages berücksichtigt zu werden.“

 

Dass Hahns Ehefrau Margarete nach den Maßgaben der Nürnberger Rassengesetze eine sog. „Halbjüdin“ war, schien Hahn dabei kein Widerspruch zu sein. Seine Aussage, das Auktionshaus habe bereits ab 1911 regelmäßig Auktionen durchgeführt, ist wohl richtig, jedoch irreführend. Im Zeitraum von 21 Jahren, 1911 bis 1932, fanden nach Katalogzählung 28 Auktionen statt. In den 12 Jahren von 1933 bis Kriegsende waren es jedoch mindestens 42 Auktionen, die das Auktionshaus durchführte. In dieser Phase war Theodor Julius Hahn auch als Taxator tätig, d. h. er bewertete die Kunstsammlungen von Jüdinnen und Juden, welche sich zur Ausreise und damit zu finanziellen Angaben über ihre Besitztümer gezwungen sahen. In dieser Funktion begutachtete Hahn den Kunstbesitz u. a. von Anna Jeidels (Beethovenstraße 15), Dr. Hans und Frieda Karplus, (Kettenhofweg 123), Justizrat Dr. Martin Mayer (Dantestraße 7) Dr. Max Münzesheimer (Beethovenstraße 21), von der in Frankfurt wohnhaften Schweizer Staatsbürgerin Anna Posen geb. Liebmann (Lindenstraße 43), Jenny Reichenbach (Niedenau 56), Gertrud Rosenbusch (Schumannstraße 51), Frau Dr. Bernhard Rosenthal (Bockenheimer Landstraße 70), Bertha und Henry Rothschild (Schumannstraße 10), Dr. Milton Seligmann, Louise Strauss geb. Lange (Im Trutz 36) sowie Carl von Weinberg (Villa Waldfried).

 

Auch an der Auflösung der wohl damals bekanntesten und größten Kunstsammlung der Stadt war Theodor Julius Hahn beteiligt. Im Dezember 1937 versteigerte er Kunstgegenstände aus der Villa Grüneburg aus dem Besitz von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild. Dass er Gegenstände aus „nichtarischem“ Besitz versteigerte, war kein Geheimnis, Hahn gab es in den Einliefererlisten seiner Auktionskataloge ab Juni 1939 ausdrücklich an. Zahlreiche Museen aus ganz Deutschland zählten zu den Kunden von Hahn: u. a. das Herzog Anton Ulrich-Museum Kunstmuseum des Landes Niedersachsen in Braunschweig, das Hessische Landesmuseum Darmstadt, das Haus Museumsberg Flensburg, das Historische Museum Frankfurt, das Liebieghaus Skulpturensammlung, das Deutsche Ledermuseum Offenbach sowie das Museum im Kulturspeicher Würzburg.

 

Nach Kriegsende beantragte Hahn – wie von der amerikanischen Militärbehörde vorgeschrieben – eine Lizenz, um den Handel mit Kunst erneut aufzunehmen zu können. Diese wurde ihm vorerst verweigert, da das Unternehmen auf einer „blacklist“ der Alliierten stand. Nach Erkenntnissen der Militärbehörde habe das Unternehmen zahlreiche Kunstwerke versteigert, die aus von der Gestapo enteigneten jüdischen Kunstsammlungen stammten. Zudem habe Hahn in den von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten Kunstwerke erworben, besonders bei dem „arisierten“ Kunsthandelsunternehmen von Jacques Goudstikker in Amsterdam. Auch gab es Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunsthändler Wilhelm Ettle, der sich nachweislich am Eigentum zahlreicher jüdische Kunstsammlerinnen und -sammler bereichert hatte.

 

Auf Nachfrage der Militärbehörde nannte die Witwe Margarete Hahn – die das Unternehmen nach dem Tod ihres Mannes 1948 weiterführte – eine Liste von jüdischen Sammlerinnen und Sammlern, deren Kunstsammlungen das Auktionshaus Heinrich Hahn veräußert hatte, darunter Werke von Ludwig und Adolph Beckhardt, Inhaber des Kaufhauses Fuhrländer Nachf., Fritz Ephraim, Enkel des „Hertie“-Gründers Hermann Tietz, dem Universitätsprofessor Dr. med. Richard Koch (1882-1949), Anna Pinner, Witwe des Justizrates Oscar Pinner, und Mutter von Erna Pinner. Margarete Hahn erhielt erst im Laufe des Jahres 1949 eine zeitlich befristete Lizenz, die ihr erlaubte, den Kunsthandel fortzusetzen. 1958 findet sich noch der Eintrag „Heinrich Hahn Kunsthaus, Inh. M. Hahn“ im Adressbuch, im Jahr darauf jedoch nicht mehr.

 

Literatur und Quellen

 

ISG, Best. A.02.01, Nr. 8101, Sigmaringer Sammlung, 19.10.1933

HHStAW, Best. 404, Nr. 1554 (Taxationslisten)

NARA, Ardelia Hall Collection, Wiesbaden Administrative Records, Art Dealers in Hesse (sic!): Hahn, Margarete

Maike Brüggen: Der Frankfurter Kunsthandel zwischen 1933 und 1945. Ein Einblick, in: Evelyn Brockhoff/Franziska Kiermeier (Hg.), Gesammelt, gehandelt, geraubt. Kunst in Frankfurt und der Region zwischen 1933 und 1945, Frankfurt 2019, S. 61-73

Anja Heuß: Die Auflösung der Fürstlichen Sammlung Hohenzollern-Sigmaringen, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg. München 2015, S. 59-66

Der Frankfurter Auktionator Theodor Julius Hahn (1877-1948) hatte Ende des 19. Jahrhunderts einen Kunsthandel gegründet, der ab 1911 auch Auktionen durchführte. Ein deutlicher Anstieg von Auktionen ließ sich zwischen 1933 und 1945 beobachten. In dieser Zeit versteigerte Hahn zahlreiche Kunstwerke aus jüdischem Eigentum. Dadurch, dass er neben seiner Auktionatorentätigkeit auch als vereidigter Sachverständiger aktiv war, war er mit Kunstgegenständen von zur Ausreise genötigten Jüdinnen und Juden gut vertraut.



Autor/in: Maike Brüggen
erstellt am 10.04.2023
 

Verwandte Personen

Ettle, Wilhelm


Freiherr von Goldschmidt-Rothschild, Maximilian


Hahn, Theodor


Kauffmann, Arthur


Krebs, Friedrich


Lehmann, Julius


Pinner, Erna


von Weinberg, Carl

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