In den Jahren 1938 und 1939 „arisierte“ die Stadt Frankfurt zwei bedeutende jüdische Kunstsammlungen, die des Freiherrn Maximilian von Goldschmidt-Rothschild und die Carl von Weinbergs durch Ankauf unter Wert. Nach 1945 wurden beide Sammlungen zurückgegeben.
Maximilian Benedikt Freiherr von Goldschmidt-Rothschild (1843-1940) war Bankier, Stifter, Mäzen und Kunstsammler. 1878 heiratete er Minna Karoline von Rothschild (1857-1903) und nahm 1900 den Doppelnamen Goldschmidt-Rothschild an. Im Juni 1937 musste er das Grundstück Bockenheimer Landstraße 8, das er 1917 für 670.000 Goldmark erworben hatte, für 190.000 Reichsmark (RM) an die Stadt Frankfurt am Main verkaufen. Am 5. September 1938 folgte der Verkauf des Grundstücks in der Bockenheimer Landstraße 10 mit Palais und anschließendem Rotschildpark für 620.000 RM. Unter räumlich sehr eingeschränkten Verhältnissen konnte Freiherr von Goldschmidt-Rothschild dort bis zu seinem Tod im Jahr 1940 als Mieter wohnen.
Am 11. bzw. am 17. November 1938 verkaufte er seine Kunstsammlung von fast 1.400 Gegenständen (Bilder, Möbel, Skulpturen, Teppiche, Porzellan, Fayence, Silber, Gläser) für 2.551.730 RM an die Stadt Frankfurt am Main, nachdem sie von Sachverständigen aus dem Kunsthandel geschätzt worden war. Die städtischen Museumsdirektoren Walter Mannowsky (Museum für Kunsthandwerk), Alfred Wolters (Städtische Galerie) und Ernstotto Graf von Solms-Laubach (Historisches Museum) erklärten, dass die Preise niedrig geschätzt worden waren und auf dem Markt durchweg höhere Preise zu erzielen gewesen wären.
Der Novemberpogrom 1938 brachten Haus und Sammlung Goldschmidt-Rothschilds in Feuer- und Plünderungsgefahr und führten am 11. November zum Vertragsabschluss. Zum Schutz des Hauses Bockenheimer Landstraße 10 und seines Inventars wurden Schilder mit der Aufschrift „Städtisches Eigentum“ angebracht. Die Sammlung verblieb zunächst dort, weil sie wegen ihres Umfangs nicht in städtische Museen überführt werden konnte. Ab Ende 1938 übernahm das Museum für Kunsthandwerk zunächst kleinere Objekte, während Grafiken und Gemälde in die Städtische Galerie kamen. Durch rechtzeitige Auslagerung überstand fast die gesamte Sammlung den Zweiten Weltkrieg.
Am 6. August 1945 forderte die Nachlassverwaltung die Sammlung zurück und wies auf einen unter Druck zustande gekommenen Verkauf unter Wert hin. Die Erben beauftragten den Anwalt Ernst Cahn in London mit der Wahrnehmung ihrer Interessen, der zusammen mit dem Nachlassverwalter von der Militärregierung im April 1946 zum Treuhänder bestellt wurde. Auch wenn Cahn anerkannte, dass die Stadt keinen unmittelbaren Druck beim Verkauf ausgeübt und sich bei der Verwaltung der Sammlung ordnungs- und sachgemäß verhalten hatte, war der Verkauf unter dem Zwang der Verhältnisse zustande gekommen. Die Erben waren bereit, der Stadt bestimmte Teile der Sammlung zu verkaufen. Trotz Bedauerungsäußerungen und Protesten von musealer Seite, wurde die Rückgabe der Sammlung an die Erbengemeinschaft gegen die Überlassung des Grundstückes Bockenheimer Landstraße 8 an die Stadt als Ausgleich für die Rückzahlung der Kaufsumme ausgehandelt. Die Stadt behielt auch das Grundstück Bockenheimer Landstraße 10 gegen die Zahlung von 800.000 DM. Die Erben erklärten sich bereit, der Stadt Kunstwerke im Wert von etwa RM 15.000 zu überlassen, die von den Erben zu bestimmen waren.
Carl von Weinberg (1861-1943) war zusammen mit seinem Bruder Arthur (1860-1943) Inhaber der Firma Cassella und nach deren Fusion mit den Höchster Farbwerken im Aufsichtsrat und Verwaltungsrat tätig. Beide Brüder spielten im öffentlichen Leben der Stadt Frankfurt eine wichtige Rolle, so als Stifter und Mäzene. 1939 emigrierte Carl von Weinberg nach Italien und starb 1943 in Rom. Carl von Weinberg hatte in seiner 1944 zerstörten Villa Waldfried südlich von Niederrad eine bedeutende Kunstsammlung zusammen getragen. Neben seinen Liegenschaften verkaufte Carl von Weinberg am 7. Dezember 1938 der Stadt seine Kunstsammlung mit einem Schwerpunkt auf deutscher und italienischer Plastik, nachdem die zuständigen Frankfurter Museumsdirektoren schon einen kleinen Teil mit 500.000 RM bewertet hatten. In der Sitzung mit den Gemeinderäten vom 20. Dezember 1938 empfahl Krebs den Ankauf für 750.000 RM.
Die Sammlung Weinberg ging an das Museum für Kunsthandwerk, das Historische Museum und an die Städtische Galerie-Liebieghaus. Nach dem Krieg befanden sich einige Gegenstände im Collecting Point in Wiesbaden. Im Jahr 1949 erhob Weinbergs Schwiegersohn Baron Richard von Szilvinyi, der 1938/39 den Verkauf der Weinberg’schen Besitzungen abgewickelt hatte, Anspruch auf die Kunstgegenstände und erwirkte die Rückerstattung. 1950 verglich er sich mit der Stadt, verkaufte den Frankfurter Museen eine Reihe von Stücken und stiftete später weitere.
Literatur und Quellen
ISG, Magistratsakten, 2.359, 8.095, 9.391, Liegenschaften und Kunstsammlung 1949-1956, mit Vermerk, dass die Akten von 1938 bis 1944 vor Kriegsende vernichtet worden sind.
ISG, Magistratsakten, 9.797-9.799, Wiedergutmachung.
ISG, Magistrat, Nachträge: 108, Bl. 53-55, 114, Bl. 54-56, 93.
ISG, Rechneiamt IV, 1-2: Rückerstattung der Sammlung und der Liegenschaften 1934-1965.
ISG, Stiftungsabteilung, 391: Rothschildsche Stiftungen 1938-1966.
ISG, Kulturamt, 777, Rückerstattung 1945-1953.
ISG, Museum für Kunsthandwerk, 51-53, Erwerb, Verwaltung, Rückgabe, Ersatz für veräußerte Teile der Sammlung; 46-50 Inventare.
ISG, Magistratsakten, 9.797-9799, Wiedergutmachung.
ISG, Magistrat, Nachträge, 114, Bl. 40-47, 91.
ISG, Rechneiamt IV, 177, Wiedergutmachung und Rückerstattung u. a. Carl von Weinberg 1947-1957.
ISG, Stiftungsabteilung, 424, Schenkungen von Szilvinyi.
ISG, Kulturamt, 780, 1.259, Kunstsammlung und Liegenschaft.
ISG, Museum für Kunsthandwerk, 62, Erwerb, Verwaltung und Rückerstattung der Sammlung; 59: Inventar der Sammlung, o. J., 1948.
In den Jahren 1938 und 1939 „arisierte“ die Stadt Frankfurt zwei bedeutende jüdische Kunstsammlungen, die des Freiherrn Maximilian von Goldschmidt-Rothschild und die Carl von Weinbergs durch Ankauf unter Wert. Nach 1945 wurden beide Sammlungen zurückgegeben.