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„Wie ich das EK oder das Sturmabzeichen erwarb …“ Feldpostbriefe der Helmholtzschule 1940-1943

Ansicht der Helmholtzschule, Fotografie um 1939

Ansicht der Helmholtzschule nach dem Bombenangriff vom 4. Oktober 1943, zeitgenössische Fotografie

Zwischen Mai 1940 und November 1943 versendet die Helmholtzschule 17 Feldpostbriefe an ehemalige Schüler, die als Soldaten an den immer zahlreicher werdenden Fronten eingesetzt sind.

 

Im Mai 1940 erreichte der Feldpostbrief No. 1 der Helmholtzschule die ehemaligen Schüler, die „als Soldaten Deutschlands die Grenze schützen und des Reichs Zukunft sichern helfen“. Die ehemalige Schule teilt weiter mit: „(…) wir möchten gerne mit allen Soldaten verbunden bleiben, an deren Freud und Leid teilnehmen und so dem Zusammenhalt der Helmholtzschüler dienen, wenn sie als Sieger nach glücklichem Frieden in die Heimat zurückkehren“. Die Schule nimmt die „heilige Verpflichtung der Heimat“, die moralische Aufrüstung der Soldaten an der Front, wahr.

 

Als der Mai-Brief verschickt wurde, stand der Angriff im Westen mit der Eroberung und Besetzung Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs und des Großteils Frankreichs unmittelbar bevor. Der Feldpostbrief vom 1. Juli 1940 kommentiert: „Gewaltiges, kaum Vorstellbares hat sich in dieser Zwischenzeit ereignet. Siegreich drang unser tapferes Heer tief in Feindesland vor und warf Frankreich nieder.… Viele unserer lieben Helmhölzer stehen in forderster Front, aber auch von denen, welche die Pflicht auf rückwärtige Stellungen befahl, wissen wir aus zahlreichen Briefen, wie gerne sie vorne mit dabei gewesen wären.“ Sieben ehemalige Schüler überleben den Feldzug im Westen nicht: „Im Geiste stehen unsere Gefallenen vor uns als Helden und als deutsche Männer, die ihr Leben für Führer, Volk und Vaterland gaben (…)“.

 

Der hektografierte Vordruck für das Kondolenzschreiben an die Eltern und Hinterbliebenen der Helden der Helmholtzschule enthält im zweiten Absatz die Bitte nach Bildern und biografischen Daten. Die Schule wolle nach dem siegreichen Ende des Krieges ein „Erinnerungsbuch“ herausbringen. Die ehemaligen Schüler draußen erfahren vom Plan eines Heldengedenkbuches aus nahe liegenden Gründen nichts. Der Feldpostbrief No. 6 vom 1. Dezember 1940 vermeldet, alle Schüler des Abiturientenjahrgangs trügen „(…) bis auf Granier den Soldatenrock (…)“ Alle Urlauber werden zu einem Besuch der Schule eingeladen, zu einem „Plauderstündchen“ und um sie den Schülern als Vorbild zu präsentieren. Brief No. 7 vom 28. Januar 1941 berichtet vom Plan eines Gedenkbuches für die Überlebenden: „Um unseren Soldaten nach siegreicher Heimkehr ein Erinnerungsbüchlein in die Hand geben zu können, planen wir die Herausgabe eines Schriftchens ‚Die Helmholtzschule und ihre Soldaten‘, Thema: 'Wie ich das EK. oder das Sturmabzeichen erwarb, mein schwerster, mein schönster Tag, wie ich den Führer sah, mit Bomben über England, an der Maginotlinie oder Ähnliches.‘"Zu Pfingsten 1941 teilt auch die Schule wörtlich mit, was die Propaganda tagtäglich wiederholt: „Der Kampf geht bis zum Endsieg und zur Neugestaltung Europas weiter! Wir grüßen unsere braven Heldensoldaten.“ Der Angriff auf die Sowjetunion bietet die Möglichkeit, bisher nur aus dem Erdkundeunterricht bekannte Regionen Europas zu erkunden: „Nicht wenige unserer Schüler lernen nun auch Osteuropa kennen.“

 

Wie ein roter Faden durchzieht die Feldpostbriefe der immer wieder neu variierte Satz, dass aus „jungen Buben“, „jugendfrohen Jünglingen“ und „Springinsfelden“ „stramme Soldaten“ und „Männer“ geworden seien. Sprachlich zurückhaltend, aber doch deutlich genug, erhebt die Schule Anspruch auf die Miterziehung der „Heldensoldaten“. Mit dem Ende der „Blitzkriege“ und dem rapiden Anstieg der Zahl der Gefallenen ändert sich die Tonlage der Briefe: „Zwischen dem Weihnachtsbrief und dem heutigen liegt eine Spanne schwerer Kämpfe im Osten und in Nordafrika, in denen unsere Soldaten trotz grimmiger Winterkälte im Russischen und trotz anfänglicher feindlicher Übermacht in Nordafrika Unvorstellbares an Einsatzbereitschaft und Mannesmut aufbrachten“, heißt es im März 1942.

 

1943 wird die Spanne zwischen den einzelnen Feldpostbriefen schlagartig länger. Siegreiches Heldentum kann nicht mehr vermeldet werden. Der Glaube an den „Endsieg“ ist dennoch unerschütterlich. Da es von der Front nichts Siegreiches mehr zu vermelden gibt, häufen sich die „positiven“ Nachrichten von der Heimatfront: In der Altstoffsammlung steht die Helmholtzschule unter den Frankfurter Schulen an 5. Stelle, Schüler der Klasse 7 sind als Flakhelfer eingezogen, die Sommerferien, nur noch drei Wochen, sind für Lehrer und ältere Schüler durch Kriegseinsatz belegt. Im vorletzten Brief vom 25. Juni 1943 nehmen die Namen der verwundeten und gefallenen ehemaligen Schüler und die Angabe ihrer Begräbnisplätze den meisten Raum ein. „So sammelt der Schulbrief seine Getreuen, indem er Heimat und Front verbindet.“

 

Der letzte Feldpostbrief der Helmholtzschule vom 10. November 1943 berichtet vom Luftangriff am 4. Oktober 1943. Auch das Schulgebäude erhielt schwere Bombentreffer. Die Heldentumrhetorik und die Beschwörung der Verbindung von Heimat und Front waren vollmundig, solange sich die Fronten weitab in Nordafrika oder der russischen Steppe befanden. Einige Bomben auf die Helmholtzschule genügten, um diese Verbindung der Heimat zur Front abreißen zu lassen.

 

 

Zwischen Mai 1940 und November 1943 versendet die Helmholtzschule 17 Feldpostbriefe an ehemalige Schüler, die als Soldaten an den immer zahlreicher werdenden Fronten eingesetzt sind.



Autor/in: Jürgen Steen
erstellt am 01.01.2003
 

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